Was ist ein Medizinprodukt?

Als Medizinprodukt wird ein für Menschen bestimmter Gegenstand oder Stoff bezeichnet, der für diagnostische oder therapeutische Zwecke, dessen Hauptwirkung insbesondere physikalisch oder physikochemisch ist.

Ein „implantierbares Produkt“ bezeichnet ein Produkt, (…) das dazu bestimmt ist, durch einen klinischen Eingriff ganz in den menschlichen Körper eingeführt zu werden (…) und nach dem Eingriff dort zu verbleiben, Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte.

Die häufigsten Implantate sind:

  • Gelenkendoprothesen (für Hüfte, Knie, Schulter, Ellenbogen und Sprunggelenk)
  • Brustimplantate
  • Herzklappen und andere kardiale Implantate
  • Defibrillatoren und Herzschrittmacher
  • Neurostimulatoren
  • Cochlea-Implantate
  • Wirbelkörperersatzsysteme, Bandscheibenprothesen 
  • Stents

Was ist ein Medizinproduktfehler?

Folgende Arten von Produktfehlern sind zu unterscheiden:

  • Konstruktionsfehler
  • Produktions- oder Fabrikationsfehler
  • Instruktionsfehler

Ein Konstruktionsfehler liegt vor, wenn ein Produkt Sicherheitsdefizite aufweist, die durch eine fehlerhafte Planung, Entwicklung und Konstruktion entstanden sind, die nicht dem Stand der Wissenschaft und Technik entsprechen. Dies ist der Fall, wenn das Produkt, selbst bei Herstellung gemäß den vorgegebenen Herstellungsanweisungen und bei bestimmungs-gemäßer Verwendung, gefährlich ist.

Ein Produktions- oder Fabrikationsfehler entsteht, wenn die Herstellung eines Produktes fehlerhaft ist, trotz fehlerfreier Herstellungsangaben und Konstruktions-vorgaben, die eigentlich die Produktion eines fehlerfreien Produkts ermöglichen sollten. Dieser Fehler tritt spezifisch bei einzelnen Produkten einer Serie auf, aufgrund eines Problems im Herstellungsprozess und führt zur Enttäuschung der Sicherheitserwartungen.

Ein Instruktionsfehler tritt auf, wenn das Produkt selbst nicht fehlerhaft ist, aber durch mangelhafte oder falsche Informationen, wie eine fehlerhafte Produktkennzeichnung, eine unzureichende oder inkorrekte Gebrauchsanweisung, ein Sicherheitsrisiko darstellt. Auch wenn dem Produkt umfangreiche, aber fehlerbehaftete Instruktionen beiliegen, die eine Gefahr für die Sicherheit des Endverbrauchers darstellen, liegt ein Instruktionsfehler vor.

Wer ist für Fehler verantwortlich?

Nach § 1 Abs. 1 des Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) muss der Hersteller für Schäden haften, die durch ein von ihm in den Verkehr gebrachtes Medizinprodukt verursacht werden und keine Ausschlussgründe vorliegen. 

Ein Hersteller im Sinne dieses Gesetzes ist definiert als eine natürliche oder juristische Person, die entweder das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt tatsächlich herstellt oder die ein Produkt als neu aufbereitet bzw. entwickelt, herstellen oder aufbereiten lässt und dieses unter ihrem eigenen Namen oder ihrer Marke vermarktet.

Aus der Produktbeobachtungspflicht bzw. der Verkehrssicherungspflicht ergibt sich, dass der Hersteller bei Kenntnis von Umständen, die auf einen Produktfehler hindeuten, einen Produktrückruf starten muss. Wenn ein Rückruf bei implantierten Medizinprodukten nicht möglich ist, müssen die betroffenen Patienten informiert werden.Zusätzlich haben Hersteller von Medizinprodukten "dringende Sicherheits-informationen" bekanntzugeben und diese zu veröffentlichen.

Bedeutung für die ärztliche Praxis

Hervorzuheben ist: Ärzte, die fehlerhafte Medizinprodukte im Rahmen einer medizinisch notwendigen Behandlung implantiert haben, tragen in der Regel, ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, die zu einem Behandlungsfehler führen, keine Verantwortung dafür, dass es auf Grund des fehlerhaften Medizinprodukts bzw. einer erforderlichen Folgeoperation zu weiteren gesundheitlichen Einschränkungen kommt. Die Verantwortung und Haftung liegt hier regelmäßig ausschließlich beim Hersteller des Medizinprodukts.

Suchen Sie daher stets das offene Gespräch zu Ihrem behandelnden Arzt. Sofern der Verdacht eines Medizinproduktfehlers im Raum steht, informiert Sie Ihr behandelnde Arzt im Rahmen der lebenslangen Nachsorge gerne darüber, welches konkrete Medizinprodukt (Seriennummer, Chargennummer) bei Ihnen eingesetzt wurde und unterstützt Sie auch im Rahmen der medizinischen Folgebehandlung.

 

Welche Rechte haben Sie?

Das Produkthaftungsgesetz regelt, dass der Hersteller sowohl für Sach- als auch für Personenschäden haftet, die durch sein fehlerhaftes Produkt entstanden sind, unabhängig von seinem Verschulden.

Dies umfasst die Kosten der Heilung, Folgeoperationen und den Ausgleich für Vermögensnachteile, die durch eine Beeinträchtigung oder den Verlust der Erwerbsfähigkeit oder durch gestiegene Bedürfnisse infolge einer Körper- oder Gesundheitsverletzung entstehen.

Der Haftungsumfang orientiert sich an den §§ 6 ff. ProdHaftG oder dem allgemeinen Deliktsrecht der §§ 823 ff. BGB. Der geschädigte Patient kann dabei seinen Personenschaden bis zu einem Höchstbetrag von 85 Mio. Euro geltend machen, einschließlich eines Anspruchs auf Schmerzensgeld gemäß § 8 Satz 2 ProdHaftG. An dieser Stelle ist jedoch anzumerken, dass es sich bei den 85 Mio. Euro um eine allgemeine Haftungshöchstgrenze handelt.

Wann verjähren Ersatzansprüche aus Medizinproduktfehlern?

Im Produkthaftungsgesetz beginnt die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche, sobald der Ersatzberechtigte von Schaden, Fehler und Ersatzpflicht Kenntnis erlangt oder hätte erlangen müssen, § 12 ProdHaftG. Die Verjährungsfrist beginnt jedoch erst, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Unabhängig davon, spätestens 10 Jahre nach dem Inverkehrbringen des Produkts ausgeschlossen, § 13 ProdHaftG.

Aktuelle Rechtsprechung rund um das Thema Medizinrecht und Medizinprodukte

Habe ich ein Auskunftsrecht darüber, welches Medizinprodukte bei mir eingesetzt wurde?

Nach neusterRechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) haben Sie als Patient im Rahmen der medizinischen Behandlung einen Anspruch darauf, eine vollständige und originalgetreue (erste) Kopie der Patientenakte bzw. Behandlungsunterlagen zu erhalten, Urteil des EuGH vom 26.10.2023, Az. C-307/22. Aus der Patientenakte gehenalle notwendigen Informationen hervor, die benötigt werden, um prüfen zu können, ob das jeweils eingesetzte Implantat von einem Medizinproduktefehler betroffen sein kann.

Wie beweise ich, dass das Medizinprodukt fehlerhaft ist?

Ein Fehler kann nach der Rechtsprechung des EuGH bei bestimmten medizinischen Produkten bereits dann vorliegen, wenn bei einer signifikanten Anzahl von Produkten derselben Produktgruppe oder Produktionsserie eine Fehlfunktion aufgetreten ist, mit der Folge, dass aufgrund eines potenziellen Fehlers alle Produkte dieser Gruppe als fehlerhaft einzustufen sind, ohne dass ein Fehler des konkreten Produkts nachgewiesen werden muss, EuGH C-503/13, C-504/13. Im Übrigen wird der Beweis regelmäßig mithilfe eines Sachverständigengutachtens geführt werden müssen. 

Die nächsten Schritte:

  1. Kontaktieren Sie uns: Schreiben Sie uns eine E-Mail oder rufen Sie uns an, um einen Beratungstermin zu vereinbaren.
  2. Dokumentation: Sammeln Sie alle relevanten Unterlagen, wie ärztliche Berichte und Korrespondenz mit dem Hersteller.
  3. Beratungsgespräch: In einem persönlichen Gespräch erörtern wir Ihre Situation und besprechen mögliche rechtliche Schritte.